AUF DEM WEG ZUR ANERKENNUNG DES GENOZIDS AN ARMENIERN UND ANDEREN CHRISTEN IM OSMANISCHEN REICH

29.04.2015 20:40


PRESSEERKLÄRUNG

Berlin – 29. April 2015. In der letzten Woche jährte sich das Gedenken an den Genozid an den Armeniern im Osmanischen Reich zum einhundertsten Mal. Viele Veranstaltungen schlossen erfreulicherweise bei dieser Gelegenheit auch das Gedenken an die aramäischsprachigen Mitopfer – Aramäer/Assyrer/Chaldäer – sowie griechisch-orthodoxen Christen ein. Aus diesem Anlass nahm der Bundespräsident an einem ökumenischen Gedenkgottesdienst am 23. April teil und der Deutsche Bundestag gedachte in seiner Sitzung vom 24. April der historischen Ereignisse.

Zum ersten Mal wurde dabei seitens einer deutschen Regierung wie auch des Staatsoberhauptes das Wort Völkermord im Zusammenhang mit dem Genozid an den Armeniern und anderen Minderheiten verwendet. Wir begrüßen diese neue Entwicklung ausdrücklich. Damit ist Deutschland endlich, nach einhundert Jahren des Schweigens und Ausweichens, zum ersten Mal auf dem Weg, einen würdigen, weil sachlich und rechtlich angemessenen Umgang mit diesem Thema zu finden.

Zugleich wurde die bisherige offizielle deutsche Linie durchbrochen, die im Wesentlichen in einer Übernahme der Position der türkischen Regierung hinsichtlich der Verbrechen während der Jahre 1915-18 bestand. Diese bestand zum einen darin, diese Ereignisse als klärungsbedürftig zu deklarieren, obwohl diese in der internationalen Forschung längst nicht mehr als klärungsbedürftig galten. Zum anderen vertrat die deutsche Regierung den Standpunkt, dass das Thema allein bilateral zwischen den Staaten Türkei und der Armenien geklärt werden könne. Das Thema wurde damit aus der deutschen Verantwortungsübernahme externalisiert.

Der Genozid an den Armeniern ist aber ein Thema, dem auch Deutschland nicht ausweichen darf. Selbst wenn dieser Völkermord nicht unter deutscher Regierungsverantwortung begangen wurde, so wurde doch der Rechtsvorgänger der Bundesrepublik, das Deutsche Reich, mitverantwortlich durch Mitwisserschaft und weitgehend billigende Hinnahme der an Armeniern und anderen Christen begangenen Verbrechen. Einzelne deutsche Militärangehörige machten sich im Osmanischen Reich direkt mitschuldig, indem sie Deportationen osmanischer Christen forderten oder selbst anordneten bzw. sich als Befehlshaber an der Niederwerfung armenischer Selbstverteidigungsversuche beteiligten. Die deutsche Firma Holzmann profitierte von armenischer Zwangsarbeit beim Bau der Bagdadbahn, deutsche Kreditinstitute von den Einlagen armenischer Deportierter.

Leider müssen Abstriche bei der Beurteilung der insgesamt positiven Wende in der bundesdeutschen Erinnerungspolitik gemacht werden. Die Aussagen von Vertretern der deutschen Regierung, als auch des Bundespräsidenten stehen hinsichtlich der sprachlichen Klarheit weit hinter der anderer Parlamente (z. B. Frankreichs) sowie der des Papstes Franziskus zurück. Es wird von „genozidaler Dynamik“ gesprochen, wo die einfache Benennung der Ereignisse als Genozid ausreichend wäre. Ebenso bedauerlich ist, dass sich die Parlamentsfraktionen bisher nicht auf einen gemeinsamen Antrag einigen konnten.

Die Anerkennung des Genozids durch den Deutschen Bundestag ist erst der Beginn erinnerungspolitischer Aufarbeitung. Daher geben wir der Hoffnung Ausdruck, dass substantielle Maßnahmen folgen werden, die die Erinnerung an die ermordeten Armenier fest im Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit verankern. Dazu könnte die Erhebung des 24. April zum Gedenktag gehören, die Behandlung des osmanischen Genozids im Schulunterricht aller Bundesländer, sowie die Schaffung von Trauer- und Gedenkorten in Kommunen mit Gemeinden von Nachfahren der betroffenen christlichen Gemeinschaften. Anzustreben wäre, dass die Leugnung von Genozids strafrechtlich grundsätzlich geahndet wird.

Ein konstruktiver Dialog von offizieller deutscher Seite mit der türkischen Regierung, als auch im zivilgesellschaftlichen Bereich mit den türkischen Gemeinden und ihren Verbänden in Deutschland ist dabei wünschenswert. Insofern hoffen wir, dass die Bundesregierung ihre traditionell guten Beziehungen zum Partnerland Türkei nutzt, um auf eine Anerkennung des Genozids seitens der Türkei hinzuwirken.

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