Berlin, 20.09.2016: Bitte um Klarstellung – AGA + BDAV schreiben an Bundestagspräsidenten Prof. Norbert Lammert

19.09.2016 18:56


Die klammheimliche Distanzierung der Bundesregierung vom Anerkennungsbeschluss des Deutschen Bundestages (2.9.2016) sorgte Anfang September nicht nur in den Medien für Irritationen.

Uns als geschichts- und erinnerungspolitisch engagierte Menschenrechtsorganisation und den Bundesverband der Aramäer in Deutschland e.V. interessiert vor allem, was Punkt II des Bundestagsbeschlusses nun noch wert ist, nachdem Regierungssprecher Seibert die rechtliche Unverbindlichkeit (Bedeutungslosigkeit) dieses Beschlusses der Türkei mundgerecht serviert hat.

Unsere besorgte Anfrage richteten wir an den Bundestagspräsidenten.





An den
Präsidenten des Deutschen Bundestags
Prof. Dr. Norbert Lammert, MdB CDU/CSU
Platz der Republik 1

11011 Berlin

Bundestags-Resolution „Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916" (Drucksache 18/8613 vom 31.05.2016)

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Lammert,

vor drei Monaten verabschiedete der Deutsche Bundestag die o.a. Resolution. Darin äußerte der deutsche Gesetzgeber 101 Jahre post factum seine Meinung über den rechtlichen Charakter der während des Ersten Weltkrieges an Armeniern, aramäischen sowie griechisch-orthodoxen Christen begangenen Verbrechen.

Drei Monate später äußerte Regierungssprecher Steffen Seibert namens der Bundesregierung die Ansicht, die fragliche, in den Medien bezeichnenderweise meist als „Armenienresolution“ paraphrasierte Resolution sei rechtlich unverbindlich. Indem er diese Ansicht mehrfach und dezidiert wiederholte, unterstrich er damit die Beliebigkeit bzw. Bedeutungslosigkeit der Bundestagsresolution. Man kann diese verbale Abwertung, die offensichtlich aus türkeipolitischen Erwägungen erfolgte, auch als implizite Distanzierung der deutschen Exekutive von der erinnerungs- und geschichtspolitischen Position des Gesetzgebers auffassen. Dieser Deutung schloss sich die türkische Staatsführung umgehend an, die sich von der Bundesregierung in ihrer Rechtsauffassung bestätigt sah.

In den Medien sowie in der Zivilgesellschaft Deutschlands und selbstverständlich auch in den Verbänden und Selbstorganisationen der in Deutschland – meist als BürgerInnen unseres Landes – ansässigen Nachfahren von Überlebenden des osmanischen Genozids haben die türkeipolitischen Volten der Bundesregierung zu Irritationen geführt. Insbesondere fragen wir uns, welche praktische politische Bedeutung die in Teil II der Resolution aufgeführten wissenschafts- und kulturpolitischen Handlungsfelder vor diesem Hintergrund noch besitzen? Wir fragen uns auch, welche Chancen in Deutschland schulische und außerschulische Unterrichtung über historische Beispiele von Genozid besitzt, die den osmanischen Genozid einschließt. Dieser liegt bekanntlich der UN-Völkermordkonvention neben dem im Zweiten Weltkrieg begangenen Verbrechen an europäischen Juden und anderen Opfergruppen paradigmatisch zugrunde.

Wir wären Ihnen sehr verbunden, falls Sie uns hierzu Ihre Einschätzung der Perspektiven zeitnah mitteilen könnten.

Mit freundlichen Grüßen,

(Tessa Hofmann) Vorsitzende

Daniyel Demir
Bundesvorsitzender
Bundesverband der Aramäer in Deutschland e.V.

Downloads:
AGA Schreiben an Bundestagspräsidenten Prof. Norbert Lammert  (  285 kb)

Deutsch-Armenische Gesellschaft, Shant TV: Fragen an Bundestagspräsident Prof. Norbert Lammert zur Armenien-Resolution  (  110 kb)

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